
Die Liga der freien Wohlfahrtspflege Baden-Württemberg e.V. (Liga) bedankt sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme.
Wir begrüßen grundsätzlich die Änderungen, die darauf ausgerichtet sind, die Möglichkeiten zur Resozialisierung zu fördern sowie die Sicherheit und Ordnung der Vollzugseinrichtungen zu stärken.
Hervorheben möchten wir die Schaffung eines unmittelbar nach der Inhaftierung greifenden Taschengeldanspruchs für bedürftige Untersuchungsgefangene für den ersten Monat der Untersuchungshaft. Das Taschengeld sichert den bedürftigen Gefangenen in der Untersuchungshaft das Existenzminimum und dient der Überbrückung, bis der zuständige Sozialhilfeträger einspringt. Kritsch zu sehen ist, dass nicht alle bedürftigen Untersuchungsgefangenen Leistungen gegenüber den Sozialhilfeträgern geltend machen können. Subkulturelle Abhängigkeiten lassen sich hier nicht in Gänze vermeiden.
Grundsätzlich begrüßen wir die neu eingefügten §§ 42 Absatz 2 Satz 2, 47 Absatz 1 Satz 3 JVollzGB III-E und § 40 Absatz 3 Satz 2 JVollzGB IV-E, die es im Strafvollzug befindlichen Geldstrafenschuldnern ermöglichen sollen, durch freie Arbeit im laufenden Vollzug die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe abzuwenden (sog. „day-by-day“-Modell; Artikel 3 Nummer 14 und 16, Artikel 4 Nummer 17 JVollzGB-ÄndG). Gleichwohl weisen wir darauf hin, dass eine freiheitsentziehende Bestrafung nur dann in Betracht kommen darf, wenn andere Mittel nicht hinreichend wirksam sind. Das Netzwerk Straffälligenhilfe in Baden-Württemberg hat hier in Bezug auf die Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen Vorschläge erarbeitet. Menschen dürften nicht aus Armutsgründen im Gefängnis landen. Die vorrangige Abwendung der Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit oder andere Maßnahmen ist grundsätzlich deren Vollstreckung vorzuziehen.
Kritisch sehen wir die Veränderung in Bezug auf den Grundsatz der Einzelunterbringung der Gefangenen. Auch, wenn gegen den Grundsatz der Einzelunterbringung nur ausnahmsweise, zeitlich begrenzt und in besonderen Fällen verstoßen wird, sind wir nicht überzeugt, dass diese Änderung zur Sicherheit und Ordnung der Vollzugseinrichtungen beiträgt. Die Einzelunterbringung dient in vielen Fällen gerade dem Schutz der Privat- und Intimsphäre und dem Schutz vor Übergriffen. Besonders kritisch ist in diesem Zusammenhang auch zu sehen, dass die ausnahmsweise gemeinschaftliche Unterbringung auch ohne Zustimmung des Gefangenen möglich ist.
Auch die jetzt im neuen Satz 4 (bisher Satz 3) des § 47 Absatz 1 JVollzGB III-E geregelte Anpassung der Altersgrenze bei Arbeitspflicht der Strafgefangenen von 65 Jahren an die jeweils geltende Regelaltersgrenze des SGB VI ist kritisch zu sehen. Zum einen altern vor allem Langzeitinhaftierte in Haft schneller, zum anderen wird ihnen nach wie vor die Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung verwehrt. Wenn schon eine Anpassung an geltendes Recht erfolgt, sollte diese umfassend sein.
Die Zeit der Strafhaft ist eine in vollem Umfang rentenversicherungslose Zeit. Während der Strafverbüßung werden weder Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt noch gilt diese Zeit als Berücksichtigungs-, Anrechnungs- oder Zurechnungszeit. Das kann dazu führen, dass ein unter Umständen erheblicher Teil der Lebensarbeitszeit trotz Heranziehung zur Arbeit in der Strafhaft für die Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung unberücksichtigt bleibt. Neben Einbußen in der Rentenhöhe können Rentenansprüche so häufig an der Nichterfüllung von Wartezeiten scheitern. Zudem können bereits erworbene Anwartschaften auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wegen der Nichterfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen verloren gehen. Aus Sicht der Liga ist der Aufbau einer rentenversicherungsrechtlichen Anwartschaft für die Vorsorgebemühungen für die Zeit nach der Haftentlassung sowie für eine wirksame Resozialisierung unabdingbar. Darüber hinaus ist Arbeit im Strafvollzug nur dann ein wirksames Resozialisierungsmittel, wenn die geleistete Arbeit angemessene Anerkennung findet. Sie muss geeignet sein, dem Gefangenen den Wert regelmäßiger Arbeit für ein künftiges eigenverantwortetes und straffreies Leben in Gestalt eines für ihn greifbaren Vorteils vor Augen zu führen.