Stellungnahmen liga-bw
15 Jan

Die Liga der freien Wohlfahrtspflege bedankt sich für die Möglichkeit der Stellungnahme zu der geplanten VwV.

Mit der VwV sollen die bewilligten Stellen im Integrationsmanagement um ein weiteres Jahr verlängert werden. Die Entscheidung die notwendigen Mittel zur Finanzierung der Flüchtlingssozialarbeit für die Personen in der Anschlussunterbringung in Form des Integrationsmanagements, zumindest für ein weiteres Jahr, bereit zu stellen, begrüßen wir. Dies ist zwingend notwendig, um diesem Personenkreis auf dem Weg zu einer erfolgreichen Integration durch Beratung und Unterstützung bestmögliche Chancen zu ermöglichen.

Wir sehen die Verlängerung als einen notwendigen Zwischenschritt, um die Flüchtlingssozialarbeit unabhängig der Unterbringungsebene nachhaltig qualitativ besser aufzustellen und zu verstetigen, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart wurde.

Neuaufstellung der Flüchtlingssozialarbeit erforderlich

Da auch in den nächsten Jahren weiterhin Geflüchtete aus den Erstaufnahmeeinrichtungen in die Stadt- und Landkreise sowie die Kommunen verteilt werden, bei zurzeit wieder deutlich steigenden Zugangszahlen, ist die Entwicklung eines nachhaltigen Konzepts für eine personell ausreichend ausgestattete, qualifizierte Flüchtlingssozialarbeit unabhängig der Unterbringungsebene erforderlich.

Der Koalitionsvertrag sieht auf Seite 83 die Etablierung einer qualitativ
hochwertigen, unabhängigen Flüchtlingssozialarbeit für Personen vor, die
auf die Stadt- und Landkreise sowie Gemeinden verteilt sind. Es wird zudem dezidiert benannt, dass diese auch durch freie, gemeinnützige Träger in einem sozialräumlichen Ansatz, unabhängig der Unterbringungsebene erbracht werden soll. Es ist eine Orientierung an den Qualitätsstandards vorgesehen, die im Flüchtlingsaufnahmegesetz, seiner
Durchführungsverordnung und den Qualitätsstandards der
Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderinnen und Zuwanderer (MBE) sowie der Jugendmigrationsdienste (JMD) festgelegt sind.

Gerne möchten wir diese im Koalitionsvertrag vorgesehenen Standards
gemeinsam mit Ihnen, dem Ministerium der Justiz und für Migration sowie
den Regierungsfraktionen entwickeln. Neben dem Einbringen von Best
Practice Beispielen des Integrationsmanagements stehen wir Ihnen bei der
Entwicklung mit unserer Expertise zur Seite und können unter anderem
unsere langjährige Erfahrung aus der Beratungsarbeit der MBE und JMD
und dem dort etablierten Case Management einbringen.

Bezüglich der Einzelheiten möchten wir auf unser neues Gesamtkonzept
Flüchtlingssozialarbeit für Baden-Württemberg
verweisen, welches wir
Ihnen in Kürze nachreichen – dort insbesondere auf die „Standards für die
Flüchtlingssozialarbeit“ auf Seite 3.f.

Zu den Änderungen in der aktuellen Verwaltungsvorschrift:1. Höhe der

1. Förderung

Die Verwaltungsvorschrift senkt für das Jahr der Anschlussbewilligung die Fördersätze von jährlich 64.000 auf 60.000 Euro und von 51.000 Euro auf 47.000 Euro ab.

Dies ist keine geringfügige Abweichung, sondern gefährdet die Etablierung von guten Qualitätsstandards. Um eine qualitativ hochwertige und sozialanwaltschaftliche Flüchtlingssozialarbeit gewährleisten zu können ist aus unserer Sicht die Bereitstellung und der Einsatz von qualifiziertem Fachpersonal zwingend erforderlich. Soweit Fachpersonal mit einem Abschluss in Sozialer Arbeit oder mindestens vergleichbarer Qualifikation eingesetzt wird (siehe dazu die Anforderungen in § 12 FlüAG und in der Anlage zu § 6 DVO FlüAG, die auch für das Integrationsmanagement erforderlich sind) und diese Personen noch zusätzliche Fachkenntnisse mitbringen sollen, wird eine Eingruppierung in der EG 10 TVÖD als gerechtfertigt angesehen und auch vom Landesrechnungshof bei seinen Berechnungen zu Grunde gelegt.1

Wir möchten an dieser Stelle aber dringend um die Berücksichtigung folgender Aspekte bitten:

  1. Es wird in der Empfehlung des Landesrechnungshofes, die Pauschalen zu senken, nicht nachvollziehbar dargelegt, welche Qualifikation sowie Berufserfahrung und damit einhergehende Einstufungen (Erfahrungsstufe) des Fachpersonals in den überprüften Fällen vorlag. Eine pauschale Reduzierung des Förderhöchstsatzes benachteiligt letztendlich die Träger, die im Sinne der Qualitätssicherung qualifiziertes und erfahrenes Personal einsetzt. Zudem müssen bei dem Erhalt des bestehenden Personals die bis 2023 stattfindenden Stufenaufstiege bedacht werden.
  2. Der Landesrechnungshof legt bei seinen Berechnungen für die reduzierten Fördersätze die „Arbeitgeber-Bruttokosten nach TVöD, Entgeltgruppen E 10 bzw. S 14 sowie E 8 bzw. S 7, Durchschnittswerte der Erfahrungsstufen, Stand 2020“2 zu Grunde.Damit werden jedoch die in der Tarifrunde TVÖD 2020 beschlossenen Erhöhungen von 1,4 % zum 01.04.2021 und 1,8 % zum 01.04.2022 nicht berücksichtigt, die in den Tarifen der freien Träger in vergleichbarer Höhe vorzufinden sind. Auch ist mit weiteren Steigerungen im Jahr 2023 zu rechnen, dabei übersteigen die Arbeitgeber-Bruttokosten bei dem durchschnittlichen Tabellenentgelt der EG 10 bzw. S 14 in der ab 01.04.2022 gültigen Fassung bereits die reduzierte Pauschale deutlich.

Wir halten es für notwendig, dass auch weiterhin eine Abrechnung der Brutto-Personalkosten bis zu einem Förderhöchstsatz von 64.000 € ermöglicht wird, unter der Voraussetzung, dass die jeweiligen Träger entsprechende Personalkosten im Rahmen eines Verwendungsnachweises nachweisen können. Nur so kann vermieden werden, dass sich Träger mit entsprechend qualifizierten Personal aus der Beratungsarbeit zurückziehen, weil sie die Mehrkosten nicht aus Eigenmitteln finanzieren können. Zudem ist dies eine der gängigsten Abrechnungsmethoden in anderen Förderprogrammen und steht in keiner Weise dem Besserstellungsverbot entgegen.

Wir bitten Sie daher den betreffenden Passus der Förderrichtlinie dahingehend zu korrigieren.

2. Veränderungen der Aufgabenstellung und des Zuwendungszwecks

Die Veränderungen bei der Aufgabenbeschreibung, u.a. die ausdrückliche Erwähnung, dass die Sozialberatung auch das Thema Schulden und Leistungsbezug umfasst, begrüßen wir.

Die Veränderung beim Zuwendungszweck, dass Integrationsmanager*innen nur noch den individuellen Integrationsprozess von Flüchtlingen „mit Bleibeperspektive“ in der Anschlussunterbringung fördern dürfen, ist jedoch nicht sachdienlich. Zwar werden mehrheitlich Geflüchtete mit Bleibeperspektive in die Anschlussunterbringung verteilt, jedoch befinden sich hier auch regelmäßig abgelehnte ausreisepflichtige Asylbewerber*innen, die zum aktuellen Zeitpunkt oder auch längerfristig nicht zurückgeführt werden können, sowie Personen deren Asylverfahren bereits über 24 Monate andauert.

Dabei muss die umfängliche Förderung der Integration von Anfang an ein zentrales Interesse der Aufnahmegesellschaft sein, vor allem auch dann, wenn Personen letztendlich doch nicht zurückgeführt werden können. Auch zeigen die langjährigen Erfahrungen aus der Beratung zur Rückkehr, dass die Integrationsförderung von Anfang auch die Rückkehrbereitschaft durchaus fördert, da dann der Reintegrationsprozess im Herkunftsland nachhaltiger verläuft. Für Personen, bei denen eine Rückkehr nicht absehbar oder möglich ist, stehen zudem auch bei einem abgelehnten Asylantrag Möglichkeiten offen einen Aufenthalt zu erhalten (Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung, Bleiberechtsregelungen). Die Einschränkung der Zielgruppe durch die geplante Änderung widerspricht daher der Zielsetzung im Koalitionsvertrag Integrationsbemühungen konsequent zu belohnen. Inhalt und Umfang der Beratung muss jeweils im konkreten Fall durch die Fachkraft entsprechend der individuellen Perspektiven festgelegt werden.

Wir bitten daher, diese eingefügte Änderung nicht vorzunehmen.

3. Sicherstellung der Vertraulichkeit der Beratung –
Beratungsgeheimnis und Schweigepflicht

Wir halten es für wichtig, zur Sicherstellung der Vertraulichkeit der Beratung nach 4.1.4. eine Ziffer 4.1.5. mit folgendem Wortlaut aufzunehmen:

„Die der*dem Integrationsmanager*in anvertrauten persönlichen Daten unterliegen dem Beratungsgeheimnis und der Schweigepflicht und dürfen Dritten oder Behörden nur zugänglich gemacht werden, soweit die zu beratende Person dies ausdrücklich wünscht.“

Dieser Grundsatz professioneller Sozialer Arbeit muss konsequent umgesetzt und festgehalten werden.

Wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie die beschriebenen Aspekte in die Verwaltungsvorschrift mit aufnehmen und mit uns zusammen die Flüchtlingssozialarbeit zur Förderung der Integration von Geflüchteten neu aufstellen.