Die Liga der freien Wohlfahrtspflege bedankt sich für die Zusendung des oben genannten Gesetzentwurfs der SPD-Fraktion zur Einführung einer Ausbildung zur Pflegeassistenzkraft und für die Möglichkeit zur Stellungnahme. Wegen der gewünschten, sehr kurzen Anhörungsfrist beschränkt sich die Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg (Liga) in diesem Schreiben auf grundsätzliche Anmerkungen und Empfehlungen.
Die Verbände der Liga begrüßen ausdrücklich das Interesse der SPD-Fraktion, einen weiteren Schritt zur Umsetzung der Pflegeberufereform – auch im Sinne der Vereinbarungen der EU-Beschäftigungs- und Bildungspolitik (Metaziele: Kompetenzorientierung, Durchlässigkeit, Transparenz, Lebenslanges Lernen) – einzuleiten. Die Novellierung der bisherigen Pflegehilfe-Ausbildungen in Baden-Württemberg ist ein wesentliches Element zur Umsetzung des § 113c SGB XI und zur Realisierung einer qualifikationsgerechten Aufgabenwahrnehmung in allen pflegerischen Sektoren.
Der vorliegende Gesetzentwurf setzt die Ausbildung zur Pflegeassistenzkraft bewusst in den Kontext der Fachkraftausbildung nach dem Pflegeberufe-gesetz, ist generalistisch, kompetenzorientiert und auf horizontale wie vertikale Durchlässigkeit ausgerichtet. Das eröffnet Bewerber:innen vielfältige Möglichkeiten der Beschäftigung sowie der persönlichen wie fachlichen Weiterentwicklung. Da sich die Konstruktionsprinzipien an denen der generalistischen Pflegefachausbildung anlehnen, dürfte sowohl ein eigenständiges Berufsprofil entstehen, als auch ein (verkürzter) Durchstieg in die Pflegefachausbildung realisierbar sein.
Damit verspricht der vorliegende Gesetzentwurf auch jenen Personen attraktive Perspektiven zur Ausbildung und Beschäftigung in der Pflege, die aufgrund schulischer Voraussetzungen, fehlender Qualifikationsnachweise oder aus sprachlichen Gründen nicht direkt mit einer Pflegefachausbildung beginnen können.
Die Liga-Verbände begrüßen ausdrücklich, dass der Hauptschulabschluss oder ein anderer als gleichwertig anerkannter Abschluss die Zulassung zur Pflegeassistenzkraftausbildung ermöglicht, empfehlen aber zudem Einzelfallzulassungen, wenn eine positive Eignungsprognose einer Pflegeschule vorliegt.
Überzeugend wirkt auch die Möglichkeit, einschlägige Vorbildung auf die Dauer der Ausbildung, höchstens aber bis zur Hälfte der Gesamtdauer der Ausbildung anzurechnen. Allerdings sollten im Kontext der EU-Kompetenz-orientierung nicht nur ausgewiesene „Maßnahmen“, sondern auch nach-weisliche Kompetenzen (EU = „Lernergebnisse“) als Verkürzungstatbestände benannt und zugelassen sein.
Positiv bewerten die Liga-Verbände ebenso die im Gesetzentwurf vor-gesehene „Externenprüfung“ (§ 16), die Auszubildenden der Pflegefach-ausbildung, die nach zwei oder drei Jahren absolvierter Ausbildung abbrechen (müssen), die Chance auf einen anerkannten Ausbildungsschluss in der Pflege eröffnen.
Das im Gesetzentwurf skizzierte Profil lässt erwarten, dass die Absolvent:innen der Ausbildung zur Pflegeassistenzkraft nicht nur in der Assistenz von Pflegefachpersonen tätig sind, sondern zur selbständigen Wahrnehmung von pflegerischen Aufgaben im Kontext von Pflegeplanungen und unter Aufsicht von Pflegefachpersonen befähigt werden. Dennoch sollte explizit das Qualifikationsprofil DQR 3 angestrebt und benannt sein, um den Grad der fachlichen Tiefe und den Grad der Selbständigkeit in der Pflege abzubilden und entsprechende Aufgabenübertragungen haftungsrechtlich für alle Beteiligten abzusichern. Gerade auch im Hinblick auf die Umsetzung des § 113c SGB XI wird das Qualifikationsprofil DQR 3 ein wesentliches Bindeglied in der Zusammenarbeit der Professionen in der Pflege. Daher muss die Befähigung nach der Ausbildung vorhanden sein, um die vorgesehenen Aufgaben verantwortlich wahrnehmen zu können.
Neben den benannten positiven und nachvollziehbaren Elementen wirft die im Gesetzentwurf vorgesehene Dauer, Struktur und Durchführung der Ausbildung in den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege aber viele Fragen auf und lässt relevante Akteure an der Umsetzbarkeit des Gesetzes zweifeln. Einerseits wird die Zahl der theoretischen und praktischen Unterrichtsstunden als hilfreich zur Kompetenzentwicklung der potenziellen Bewerber:innen betrachtet, andererseits aber befürchtet, dass der bereits bestehende Mangel an Pflegelehrenden den Aufbau der notwendigen Infrastruktur im Land verhindert. Hier bedarf es weiterer Erläuterungen, einer klug konzipierte Ausbildungs- und Prüfungsverordnung sowie grundlegender Strukturentwicklungen, um Bedenken zu entkräften und die Realisierung in der für Baden-Württemberg erforderlichen Größenordnung (Stichwort: § 113c SGB XI) zu schaffen.
Vergleichbare Zweifel weckt der Anspruch von „Praxisanleitung im Umfang von mindestens fünfzehn Prozent der während eines Einsatzes zu leistenden Ausbildungszeit“. Auch hier wird der Qualitätsanspruch und der erhöhte Bedarf an Praxisanleitung bei den zu erwartenden Auszubildenden bestätigt, aber zugleich auf die begrenzten Ressourcen von Pflegefachkräften und den noch überschaubaren Anteil mit der geforderten berufspädagogischen Weiterbildung verwiesen.
Die Liga der freien Wohlfahrtspflege empfiehlt, die Konstruktion der Ausbildung noch einmal grundlegend zu überdenken, ausdrücklich moderne Lernformate („Digitales Lernen“, „Skill Labs“ etc.) zuzulassen, um überhaupt die erforderlichen Kapazitäten in Baden-Württemberg aufbauen zu können. Auch bei dem Einsatz von Pflegelehrenden und Praxisanleitenden sollte weniger eine Abschluss- als eine Kompetenzorientierung im Vordergrund stehen.
Erschwerend kommt die unklare Situation der Ausbildungsfinanzierung hinzu. Lediglich auf eine mittelfristige Anbindung an den Ausgleichfond des Pflegeberufegesetzes und bis dahin auf eine Umlage der Ausbildungsvergütung zu verweisen, dürfte weder die Schulträger, noch die Praxisträger der pflegerischen Sektoren motivieren.
Schon die unterschiedlichen Bedarfe in der ambulanten wie stationären Akut- und Langzeitpflege (vgl. § 113c SBG XI) lassen das angestrebte Ausbildungsformat – mit den Praxiseinsätzen bei Kooperationspartnern anderer pflegerischer Sektoren – zur logistischen Herausforderung werden.
Wenn dann die im Gesetzentwurf geforderte Praxisanleitung oder die anspruchsvolle Organisation dieser Ausbildung nicht zu refinanzieren und sicherzustellen ist, dürfte die Ausbildung zur Pflegeassistenzkraft in Baden-Württemberg wenig Resonanz finden und kaum zur Versorgungssicherheit und –qualität beitragen.