
Die Liga der freien Wohlfahrtspflege Baden-Württemberg nimmt zu den geplanten Änderungen der oben genannten Förderrichtlinien sowie dem damit verbundenen „Qualitätsrahmen Betreuung“ wie folgt Stellung:
Wir begrüßen es, dass sich das Land Baden-Württemberg und der Bund in den Fragen des oben genannten Investitionsprogramms geeinigt haben. Gleichzeitig bedauern wir sehr, dass die Liga der freien Wohlfahrtspflege im Anhörungsverfahren nicht offiziell berücksichtigt wurde, obwohl ein nicht unerheblicher Teil der pädagogischen Schulkindbetreuung in Baden-Württemberg von freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe geleistet wird.
Zur geplanten Verwaltungsvorschrift haben wir im Einzelnen folgende Anmerkungen:
3.1 c) bb)
Mit dieser Regelung wird auf dem Verordnungswege und ohne breite Betei-ligung der betroffenen Träger und Verbände eine neue Form der Aufsicht über pädagogische Einrichtungen in Baden-Württemberg eingeführt. Die Liga der freien Wohlfahrtspflege befürwortet ausdrücklich eine Aufsicht für die Einrichtungen der pädagogischen Schulkindbetreuung. Mit dem vorliegenden Entwurf der Verwaltungsvorschrift drängen sich jedoch einige Fragen auf:
- Wie bzw. in welcher Form wird das Kultusministerium die Aufsicht über die kommunalen Betreuungsangebote wahrnehmen?
- Wie wird sichergestellt, dass im Kultusministerium die erforderlichen, bislang nicht vorhandenen Ressourcen und Kompetenzen aufgebaut werden? Welchen Zeitrahmen sieht das Kultusministerium dafür vor?
- Inwieweit ist der KVJS als aufsichtsführende Behörde für betriebserlaubnispflichtige Einrichtungen fachlich-konzeptionell in die Planung und Umsetzung der Aufsicht durch das Kultusministerium eingebunden?
- Welche Kompetenzen haben die Spitzenverbände der Liga im Rahmen einer Aufsicht des Kultusministeriums zukünftig in Bezug auf ihre eigenen Einrichtungen? In welcher Weise werden sie über die Maßnahmen des Kultusministeriums gegenüber ihren Einrichtungen informiert?
- Wie wird das Kultusministerium mit den Einrichtungen in kommunaler oder freier Trägerschaft umgehen, die in einer Einrichtung mit demselben Personal sowohl einen betriebserlaubten Hort/Hort an der Schule als auch Angebote der Verlässlichen Grundschule/Flexible Nachmittagsbetreuung betreiben? Diese unterstünden dann zwei Aufsichtsbehörden, dem KVJS und dem Kultusministerium.
4.1 c)
Falls mit dieser Formulierung auch freie Träger gemeint sind – was wir schon aus pragmatischen Gründen für sinnvoll halten – so sollten diese auch explizit erwähnt werden (z.B. „Öffentliche und freie Träger kommunaler Betreuungsangebote“). Erfahrungsgemäß führen solche unklaren Formulierungen in Verwaltungsvorschriften in der Praxis immer wieder zu Problemen.
Verweise auf den Qualitätsrahmen 3.1 c) bb) sowie 7.4 e) bb)
Die Liga der freien Wohlfahrtspflege begrüßt ganz grundsätzlich die Bemühungen des Landes, einen Qualitätsrahmen für die pädagogische Schulkindbetreuung zu entwickeln. Leider bleibt der in der VwV genannte „Qualitätsrahmen Betreuung“ in jeder Hinsicht hinter unseren Erwartungen zurück und unterscheidet sich daher stark von dem sehr guten und ausführlichen „Qualitätsrahmen Ganztagsschule“ (vom Kultusministerium veröffentlicht am 8. Juli 2019).
Als größtes Manko empfinden wir, das der „Qualitätsrahmen Betreuung“ nicht ein einziges objektiv nachprüfbares Qualitätskriterium enthält. Daher können wahrscheinlich alle bestehenden Betreuungsangebote unabhängig von ihrer tatsächlichen Qualität schon jetzt von sich behaupten, den „Qualitätsrahmen Betreuung“ zu erfüllen, was den Qualitätsrahmen als solchen wirkungslos macht. Von einem Dokument mit dem Titel Qualitätsrahmen sollten zumindest quantifizierende Aussagen zu den Themen Personalschlüssel, Fachkraftschlüssel und Raumgröße/-ausstattung (Strukturqualität) erwartet werden dürfen. Wie dies aussehen könnte, erarbeitet die Liga der freien Wohlfahrtspflege derzeit in ihrer „Rahmenempfehlung für die pädagogische Schulkindbetreuung“. Wir leiten Ihnen zeitnah zu.
Das in diesem Zusammenhang möglicherweise vorgebrachte Argument, detaillierte Vorgaben des Landes würden entsprechende finanzielle Verpflichtungen nach sich ziehen (Konnexitätsprinzip), ist unzutreffend, wie die Landesförderung für die Schulsozialarbeit zeigt. Dort sind die Fördermittel an eine bestimmte fachliche Qualifikation des Personals und an ein Stellendeputat mit einem Beschäftigungsumfang von mindestens einer halben Stelle gebunden. Die Kommunen können hiervon abweichen, erhalten dann jedoch keine Fördermittel. In gleicher Weise sollte das Land bei den Fördermitteln für die pädagogische Schulkindbetreuung vorgehen. Dies würde die gute Arbeit anerkennen, die bereits von vielen Kommunen und freien Trägern geleistet wird, und jene motivieren, die fachlichen Ansprüchen noch nicht genügen. Andernfalls ist keine Entwicklung zu „qualitativ hochwertigen Bildungs- und Betreuungsangeboten“ (Präambel) zu erwarten.
Neben diesen grundsätzlichen Erwägungen zum „Qualitätsrahmen Betreuung“ gibt es unsererseits noch ausgewählte weitere fachliche Anmerkungen zu einzelnen Passagen des Entwurfs:
- dem Titel des „Qualitätsrahmens Betreuung“ wird der Geltungsbe-reich und Anspruch des Dokuments nicht deutlich. Den Begriff „Betreuung“ halten wir für zu allgemein – hierunter könnte man beispielsweise die rechtliche Betreuung nach § 1896ff BGB verstehen – und fachlich für zu einschränkend. Für die im Qualitätsrahmen im Abschnitt 1 aufgezählten „flexiblen Betreuungsangebote“ verwendet die Liga den Begriff pädagogische Schulkindbetreuung. Mit „Schulkindbetreuung“ soll deutlich werden, dass es sich um die Altersgruppe der Schulkinder handelt; dies wurde um „pädagogisch“ ergänzt, weil es eben nicht nur um die Betreuung dieser Kinder geht, sondern im Sinne des § 22 SGB VIII auch um Erziehung, Bildung und deren soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung. Darüber hinaus könnte der Begriff „Qualitätsrahmen“ zu Verwechslungen mit dem „Qualitätsrahmen Ganztagsschule“ führen.
- Der Tätigkeitsausschluss vorbestrafter Personen (Qualitätsrahmen 2. c, dritter Aufzählungspunkt) in pädagogischen Einrichtungen ist in § 72a SGB VIII geregelt. Insofern sollte auch auf diese Norm verwiesen werden. Beschäftigte Personen – egal ob haupt- oder ehrenamtlich – müssen demensprechend ein erweitertes(!) Führungszeugnis nach § 30 Absatz 5 und § 30a Absatz 1 Bundeszentralregistergesetz vorlegen. Das Kultusministerium sollte sich unseres Erachtens nicht außerhalb dieses rechtlichen Rahmens bewegen.
- Zum Kinderschutz gehört ferner, dass die Einrichtungen der pädagogischen Schulkindbetreuung mit dem zuständigen Jugendamt eine Vereinbarung nach § 8a SGB VIII abgeschlossen haben und über ein entsprechendes Schutzkonzept verfügen. Beides ist für die betriebserlaubten Horte und Horte an der Schule schon lange Praxis. Es gibt keinen ersichtlichen Grund, warum dies für die Einrichtungen der Verlässlichen Grundschule und Flexiblen Nachmittagsbetreuung nicht gelten sollte.
- Die Bedürfnisse der Kinder und ihre Partizipation an den sie betreffenden Entscheidungen (Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention) werden im Qualitätsrahmen leider nicht erwähnt.
- Das Personal der pädagogischen Schulkindbetreuung ist entweder bei der Kommune oder bei freien Trägern angestellt. Diesen obliegt auch die Dienst- und Fachaufsicht. Insofern ist es nicht Aufgabe der Schulleitung, „das Betreuungspersonal … auf die Aufsichtspflicht, die Verschwiegenheitspflicht, das Verbot körperlicher Züchtigung und die Ausübung des Hausrechts“ (Qualitätsrahmen 2. c, sechster Aufzählungspunkt) hinzuweisen. Dies ist Aufgabe des kommunalen oder freien Trägers. Ob bzw. inwieweit die Schulleitung das Hausrecht nach § 41 Schulgesetz auch über die außerschulischen Angebote im Schulgebäude ausübt, ist aus unserer Sicht jeweils vor Ort zu klären. Die Nutzung der Räume im Schulgebäude sollte zwischen Schulträger, Schulleitung und Träger des Betreuungsangebotes schriftlich vereinbart werden. Unabhängig davon ist eine enge Zusammenarbeit zwischen der pädagogischen Schulkindbetreuung, dem Schulträger und der Schulleitung bzw. Schule selbstverständlich notwendig und zu begrüßen. Die Einrichtungen und Träger unter dem Dach der Liga der freien Wohlfahrtspflege sind hierzu immer bereit.
- Das SGB VIII trifft keine Aussagen zur Raumgröße (Qualitätsrahmen 2. b, vierter Aufzählungspunkt), die sich auf die pädagogische Schulkindbetreuung beziehen ließen. Zur Raumgröße sollten daher die Richtlinien des KVJS für Horte (3 m² pro Kind) herangezogen werden.
- Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe kommen im Dokument (fast) nicht vor. Dabei sind sie nach den Kommunen die größte Trägergruppe im Bereich der pädagogischen Schulkindbetreuung und sollten insofern auch entsprechend benannt werden.