Stellungnahmen liga-bw
17 Nov

Der demographische Wandel und das Bedürfnis der Menschen nach selbstbestimmtem Leben – trotz Handicaps oder bis ins hohe Alter – machen die Hauswirtschaft zunehmend zu einer Schlüsseldisziplin für eine bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Versorgung und Betreuung von Menschen mit Hilfe-, Unterstützungs- und Pflegebedarf in Baden-Württemberg. Entsprechend wächst die Nachfrage nach qualifiziertem Fachpersonal in den unterschiedlichen ambulanten, teilstationären und stationären Versorgungssettings der freien Wohlfahrtspflege. Bereits heute bedarf es großer Anstrengungen, die offenen Stellen im Bereich Hauswirtschaft qualifiziert zu besetzen.

Laut aktueller Bundes-Pflegestatistik (2017) arbeitet inzwischen jede*r 6. Beschäftigte von stationären Pflegeeinrichtungen im Bereich Hauswirtschaft (ambulant etwa jede*r 8. Beschäftigte). Nach den vorsichtigen Hochrechnungen des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg (vgl. Statistische Monatshefte; Vorausberechnungen zum Bereich Pflege) müsste sich die Anzahl der Beschäftigten im Bereich ambulanter und stationärer Pflege aufgrund demografischer und gesellschaftlicher Entwicklungen bis zum Jahr 2050 mindestens verdoppeln. Damit ist auch der zu erwartende Fachkräftebedarf im Bereich Hauswirtschaft angemessen beziffert. Neben diesen „klassischen“ Handlungsfeldern sind jedoch auch neue konzeptionelle Herausforderungen und Aufgaben in Baden-Württemberg durch Fachkräfte der Hauswirtschaft abzusichern.

Ausgewählte Beispiele:

  • Ältere und pflegebedürftige Menschen wollen zu Hause oder – zunehmend – in ambulant betreuten Wohnformen alt werden. Haushaltsnahe Dienstleistungen und hauswirtschaftliche Betreuung in der ambulanten Pflege stärken die Gesunderhaltung von Menschen mit Hilfebedarf, ermöglichen es, länger selbstbestimmt in einer eigenen Wohnung leben zu können.
  • Die Unterstützungsangebote-Verordnung (UstA-VO) des Landes sieht nach § 6 Abs. 2 UstA-VO vor, dass Angebote zur Unterstützung im Alltag (nach § 45 a SGB XI) als Serviceangebot anerkannt werden können. Der Aufbau dieser Dienste scheitert derzeit am benötigten Fachpersonal.
  • Der Ansatz der Quartiers-Orientierung des Landes Baden-Württemberg wird durch den Einsatz hauswirtschaftlicher Fachkräfte unterstützt, um Menschen im Sozialraum zusammenzubringen und die nötige Unterstützung in einer gewachsenen Lebenswelt zu gewährleisten.
  • Das Wissen um gesunderhaltende Ernährung, Hygiene und Organisation des eigenen Haushalts scheint zunehmend verloren zu gehen, was zu gesellschaftsweiten Problemen wie Fehlernährung, Verwahrlosungstendenzen oder dem Wiederauftauchen von Krankheiten führt.
  • Der Erwerb von Alltagskompetenzen kann bei zunehmend ganztägiger Betreuung von Kindern und Jugendlichen in Kitas und Schulen durch den Einsatz hauswirtschaftlicher Professionalität in diesen Bereichen unterstützt werden und so seine präventive Wirkung entfalten.

Die Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg begrüßt deshalb ausdrücklich die Initiative des Kultusministeriums, über Berufskollegs im Land, Assistent*innen der Hauswirtschaft auszubilden. Mit diesem Ausbildungsformat dürfte es gelingen, neue Zielgruppen für das Handlungsfeld und eine qualifizierte Ausbildung zu gewinnen.

Die vorgesehene Ausbildung am Berufskolleg überzeugt vor allem auch mit folgenden Optionen:
a) der Möglichkeit, im Rahmen der Ausbildung die Fachhochschulreife zu erwerben;
b) der Möglichkeit, durch einen guten Praktikumsanteil vertiefte Erfahrungen in den praktischen Handlungsfelder der Hauswirtschaft zu gewinnen;
c) die Anschlussfähigkeit der 2 BFH an die hauswirtschaftlichen Berufskollegs;
d) der Möglichkeit, durch die inhaltliche Abstimmung der Berufskollegs an die Hauswirtschafter*innenausbildung anzuknüpfen.

Die Möglichkeit der Fachhochschulreife erleichtert beispielsweise den Einstieg ins zweite Jahr der Weiterbildung zur Hauswirtschaftlichen Betriebsleitung (HBL). Außerdem können so potentielle technische Lehrkräfte, die auch dringend gebraucht werden, gewonnen werden.

Die Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg bestätigt die konzeptionelle Ausrichtung des neuen Berufskollegs und bietet eine Zusammenarbeit bei Gewinnung und praktischer Ausbildung an.

Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an Frau Schukraft (schukraft.u@diakonie-wue.de) oder Herrn Slatosch (slatosch@caritas-dicvrs.de).