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22 Apr

22.04.2020 Krisen treffen die verletzlichen Mitglieder unserer Gesellschaft am härtesten, so auch jetzt: Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen oder Obdachlose haben durch die Corona-Pandemie noch schwierigere Lebensbedingungen. Auch Flüchtlinge verbringen ihre Zeit in engsten Verhältnissen in Containern und Flüchtlingsunterkünften. Sämtliche Aktivitäten, die vom eigenen Schicksal ablenken oder eine Zukunftsperspektive versprechen, sind abgesagt. Es gibt weder Deutschkurse noch Kinderbetreuung. Ämter und Behörden haben ihre Tätigkeiten auf einen Minimalbetrieb heruntergefahren. Auch der Zugang zu W-Lan oder IT-Ausstattungen liegt lahm. Für die Liga der freien Wohlfahrtspflege ist dieser Zustand nicht hinnehmbar. Sie fordert verlässliches W-Lan und Chatrooms, die Kontakt zur Außenwelt oder Zugang zu Deutschkursen ermöglichen. Des Weiteren würde Beschäftigung in Form von Büchern oder Spielen in den Einrichtungen den Alltag für Flüchtlinge erträglich machen.

„Was den Leuten in der Isolation und in der Quarantänestation am meisten fehlt, sind sinnvolle Beschäftigung und Kontakt nach außen“, berichtet Beate Deckwart-Boller vom Caritasverband Karlsruhe, die die unabhängige Verfahrens- und Sozialberatung in der Landeserstaufnahme in Durlacher Allee leitet. „Zudem haben wir oft den Eindruck, die Betroffenen werden über Verfahren oder Entscheidungen nicht ordentlich informiert. Das sind wir aus der täglichen Arbeit gewohnt, aber in der jetzigen Situation ist es besonders wichtig, den Menschen zu erklären, was als nächstes mit ihnen passiert“, so Deckwart-Boller. Denn aus der Situation ergäben sich für die Betroffenen viele Probleme und beängstigende Fragen, etwa: Wie kann ich meine Dokumente verlängern? Was passiert mit meinem Asylantrag? Wie lange muss ich in der Flüchtlingsunterkunft bleiben? Wie geht es meiner Familie zu Hause? Wer hilft mir?

Das Anliegen der Sozialarbeiter der Verbände der freien Wohlfahrtspflege ist es, unter diesen Umständen zu helfen, wo immer möglich, teilweise mit außergewöhnlichen Mitteln. In Mannheim beispielsweise organisiert die unabhängige Verfahrens- und Sozialberatung online Deutschlerntandems, damit die Geflüchteten in den Unterkünften weiterhin Deutsch lernen können. In der Migrationsberatung ist die Beratung zum großen Teil auf Online-Beratung umgestellt worden. In der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Freiburg wird wiederum mit einer Trennscheibe beraten. „Kreative Lösungen sind gefragt und engagierte Mitarbeiter sind der Schlüssel, damit das System aufrechterhalten wird“, erklärt Dr. Angelika Mölbert, stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses Migration der Liga der freien Wohlfahrts-pflege.

Damit eine möglichst umfassende Betreuung für Flüchtlinge aufgebaut und gewährleistet werden kann, hat sich die Liga der freien Wohlfahrtspflege an den Innenminister des Landes Baden-Württemberg, Thomas Strobl, gewandt. Ihre Bitte: Die Flüchtlingssozialarbeit möge in den Erstaufnahmeeinrichtungen, den Gemeinschaftsunterkünften und bei den Menschen, die bereits in Wohnungen untergebracht sind, als systemrelevant eingestuft werden. Nur mit einem Mindestmaß an Versorgung und Betreuung können die Wohlfahrtsverbände ihren Auftrag erfüllen, der eine menschenwürdige, humanitäre und rechtsstaatliche Flüchtlingsaufnahme vorsieht.

Die Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg ist in allen Bereichen der Wohl-fahrtsarbeit tätig. Gerade in Krisenzeiten – wie zuletzt bei der Aufnahme von hunderttausenden Kriegsflüchtlingen aus Syrien – sind die ihr zugehörigen Verbände gefragt, neue Lösungen zu entwickeln. Als Partner von Land und Kommunen hat die Liga auch in der Corona-Krise, unterstützt von tausenden ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, in kürzester Zeit ein Versorgungssystem aufgebaut. Nicht zuletzt deshalb konnte diese besondere Situation sozial verträglich und ohne gesellschaftliche Verwerfung gemeistert werden.