Stellungnahmen liga-bw
12 Jan

Kurzfristige Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in anderen Einrichtungen

Die vorliegende Handreichung dient zur Orientierung bei der Konzeptionierung, Planung und Durchführung von Auszeit-Maßnahmen.
Sie enthält die grundlegenden Themen, die bei der Gestaltung zu bedenken sind.
Vorausgesetzt wird hierbei, dass pädagogische Interventionen dieser Art ausschließlich in Ergänzung zu anderen, vor Ort bestehenden Maßnahmen im Krisenfall realisiert werden. Auszeiten stellen immer eine Ausnahme dar.

„Auszeit“ – Definition im Kontext der stationären Erziehungshilfen
Eine Auszeit beschreibt eine pädagogische Intervention, bei welcher ein junger Mensch, der in einer Einrichtung der stationären Jugendhilfe lebt, einen definierten Zeitraum, in einer anderen Jugendhilfeeinrichtung verbringt.
Grundlage für diese pädagogische Intervention sind klare Absprachen zum Verfahren zwischen abgebender und aufnehmender Einrichtung.

1 Mögliche Zielsetzungen

  • Deeskalationsinstrument und Krisenintervention
  • Schutz des jungen Menschen
  • Schutz der anderen jungen Menschen in der Wohngruppe
  • Entlastung des abgebenden Systems
  • Unterbrechung und Reflexion von Interaktionsmustern
  • Überprüfung der Hilfe

Die Maßnahme sollte keinen Strafcharakter haben, sondern ausschließlich dem Wohl des jungen Menschen dienen.

2 Voraussetzungen und Rahmenbedingungen

Im Vorfeld

  • Deeskalationsinstrument und Krisenintervention
  • Schutz des jungen Menschen
  • Schutz der anderen jungen Menschen in der Wohngruppe
  • Entlastung des abgebenden Systems
  • Unterbrechung und Reflexion von Interaktionsmustern
  • Überprüfung der Hilfe

Im Bedarfsfall

  • Sicherung eines freien betriebserlaubten Platzes (Einzelzimmer)
  • Absprachen und Einverständnis mit dem jungen Menschen und den Personensorgeberechtigten
  • Information und Absprache mit dem zuständigen Jugendamt
  • Klärung der Zuständigkeiten während der Maßnahme
  • Umsetzung der vereinbarten Übergabe- und Übernahmeverfahren
  • Hilfe- und Zielplanung für die Auszeit
  • Klärung der Begleitung des jungen Menschen durch die abgebende und aufnehmende Einrichtung
  • Planung der Rückführung und Überprüfung der Zielsetzung

3 Hinweise für einen Kooperationsvertrag

  • Beschreibung der Zielgruppe und Ziele der Maßnahme
  • Absprachen zu finanziellen, versicherungsrechtlichen und weiteren rechtlichen Aspekten
  • Klärung der Fallverantwortung
  • Klärung der Aufsichtsverantwortung
  • Klärung der Elternarbeit
  • Hilfeplanung
  • Übergabe- und Übernahme sowie Absprachen zu Rückführungsmodalitäten

4 Finanzierung

Die Finanzierung der zusätzlichen Kosten ist mit dem fallzuständigen Jugendamt im Vorfeld zu klären. Darüber hinaus bedarf es Absprachen der Einrichtungen, die im Kooperationsvertrag festgehalten sein sollten.

5 Betriebserlaubnis und Meldepflicht nach § 47 SGB VIII

Wenn die Maßnahme der Auszeit in die Betriebserlaubnisstruktur eingreift, ist das KVJS-Landesjugendamt einzubeziehen. Dies wäre insbesondere der Fall, wenn die Maßnahme regelmäßig angewandt würde und keinen ausschließlichen Einzelfallcharakter hätte. Auszeiten sollten – insbesondere mit den drei erstgenannten Zielsetzungen in Punkt 1 – Ausnahmen darstellen. In diesen Fällen kann von besonderen Ereignissen oder Entwicklungen ausgegangen werden, die der Meldepflicht nach § 47 SGB VIII unterliegen.

Schlussbemerkung

Die Umsetzung der Inhalte dieser Handreichung sollen dazu dienen, einen sicheren Rahmen für diese außergewöhnliche Maßnahme zu geben.
Es ist zu beachten, dass die aufgelisteten Themen keinen abschließenden Charakter haben. Bei der Umsetzung in die Praxis können sich weitere Fragestellungen ergeben.
Die vorliegende Handreichung wurde gemeinsam von den Liga-Verbänden und dem VPK erstellt und mit dem KVJS Landesjugendamt beraten.

Dezember 2021