
Die Liga der freien Wohlfahrtspflege bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme.
1. wie viele stationäre Altenpflegeeinrichtungen in Baden-Württemberg aktuell wie viele Patientinnen und Patienten betreuen, die mittelschwere bis schwere psychische Erkrankungen haben, die eigentlich in einer psychiatrischen Einrichtung behandelt werden müssten;
Unterschieden werden müssen die gerontopsychiatrischen Erkrankungen des Alters (laienhaft: die verschiedenen Formen von Demenz) von den Personen, die mit im Laufe ihres Lebens erworbenen chronischen psychischen Erkrankungen altern.
Über die Anzahl kann die Liga keine Angaben machen. Die Liga geht davon aus, dass ein hoher Anteil alt und pflegebedürftig gewordener Menschen mit psychischer Erkrankung in Pflegeeinrichtungen versorgt wird, weil die erforderliche Anzahl von Einrichtungen für psychisch kranke Menschen mit Pflegebedarf nicht zur Verfügung steht.
Die Liga geht jedoch auch davon aus, dass es eine große Anzahl jüngerer und insbesondere nicht stark pflegebedürftiger in Pflegeeinrichtungen versorgt werden. Dies gilt es unter Betrachtung derer Bedarfe und des BTHG strukturiert aufzulösen.
2. wie viele Patientinnen und Patienten mit mittelschweren bis schweren psychischen Erkrankungen in den kommenden Jahren voraussichtlich in baden-württembergischen Altenpflegeeinrichtungen stationär untergebracht werden;
Auch hier liegen der Liga keine konkreten Zahlen vor. Der Anteil der Menschen zwischen 50 und 70 Jahren mit chronischen psychischen Erkrankungen in Einrichtungen der Eingliederungshilfe dürfte bei nahezu 50 % liegen. Alle diese Menschen werden einen somatischen Pflegebedarf entwickeln, wie der Durchschnitt der Bevölkerung auch. Die Anzahl der gegenwärtig vorhandenen Betreuungsplätze reicht für die zukünftigen Bedarfe nicht aus. Die Zielsetzung des SGB IX und des BTHG sowie die pflegefachlichen Perspektiven (Aging in Place) sprechen dafür, dass die Versorgung in den Settings der Eingliederungshilfe zu erbringen ist. Der Landesrahmenvertrag SGB IX bietet dafür innerhalb des SGB IX ausreichend Möglichkeiten. Personen, die in diesem Altersspektrum gegenwärtig bereits in Pflegeheimen versorgt werden, werden aktuell nicht erfasst und stellen unseren Informationen nach einer großen Kohorte dar. Die Grundlagen für diese Annahmen sind die Aussagen aus örtlicher Ebene und Erhebung innerhalb der AG Anschlussversorgung des LAK Psychiatrie).
3. wie sie die pflegerische Qualität von nicht-spezialisierten Altenpflegeeinrichtungen für die Unterbringung von psychisch kranken Menschen bewertet;
Pflegefachkräfte in Pflegeeinrichtungen haben i.d.R. keine spezifische bzw. umfassende psychiatrische Ausbildung psychiatrische Ausbildung oder Zusatzqualifikation. Fachkräfte für Gerontopsychiatrie haben Kenntnisse über die psychischen Erkrankungen des Alters in ihrer Qualifikation erworben. Insofern dürften die spezifischen psychiatrischen Kenntnisse in Pflegeeinrichtungen nicht systematisch vorhanden sein. Die Ausbildung fachgerechter Betreuungssettings ist daher nicht zu erwarten. Die Personen haben i.d.R. einen lebenslangen Anspruch auf Eingliederungshilfe. Die pädagogische Perspektive und Leistungserbringung ist dabei elementar wichtig für die Stabilität und Bedarfsdeckung der Personen. Pflege wird innerhalb dieser Settings von der EGH umfasst und kann bis zur hospizlichen Versorgung gewährleistet werden.
4. inwieweit die spezifischen Versorgungsbedarfe von Menschen mit psychischen Erkrankungen in der Aus- und Fortbildung von Altenpflegepersonal berücksichtigt werden;
Es gibt einen elementaren Unterschied der Behandlungspflege aus der Perspektive von klinischer psychiatrischer Betreuung und Behandlung (Generalistik der Pflege) und der pädagogischen Arbeit und Herangehensweise im außerklinischen Bereich. Deswegen ist die Ausbildung von Pflegefachkräften nicht dazu geeignet, die Pflegefachkräfte zu qualifizieren, die Teilhabebedarfe in der Lebensgestaltung in den Settings Wohnen, Freizeit und gesellschaftliche Teilhabe adäquat zu decken.
5. wie sie zur Implementierung eines Modellversuchs für auf pflegebedürftige Menschen mit psychischen Erkrankungen spezialisierte Heime steht, bei denen diese Menschen professionell sowie therapeutisch gut und richtig betreut werden können und auch der Mehraufwand an Personal refinanziert bzw. eine Kostendeckung erreicht werden kann.
Menschen mit chronischer psychischer Erkrankung haben regelhaft aufgrund ihrer Erkrankung einen Bedarf und damit lebenslangen Anspruch für Leistungen der Eingliederungshilfe. Dieser Eingliederungshilfebedarf besteht auch, wenn zur psychischen Erkrankung eine somatische Pflegebedürftigkeit hinzutritt. Insofern sind die erforderlichen zusätzlichen pflegerischen Leistungen von den Einrichtungen der Eingliederungshilfe zu erbringen und vom Träger der EGH zu tragen (§ 103 Abs. 1 S. 1 SGB IX i.V.m. § 71 Abs. 4 SGB XI i.V.m. § 43a SGB XI). Das sieht das SGB IX so vor und der Rahmenvertrag zum SGB IX in Baden-Württemberg ebenso (§ 83 ff SGBIX).
Es gibt in Baden-Württemberg die sogenannten binnendifferenzierten Einrichtungen, die den Personenkreis seit vielen Jahren betreut. Das LRV SGB IX sieht mit dem „Inklusiven Modell“ und dem „Kombi Modell“ zwei leistungsrechtliche Formen für Einrichtungen für diesen Personenkreis vor.
Es sind Formen von Einrichtungen für Menschen mit Behinderung bzw. psychischer Erkrankung. Die Typologie der Einrichtungen ist eingeführt und hat sich bewährt. Sie müssen in dem Maße ausgebaut werden, wie der Bedarf zu erwarten ist.
Es gibt in der Personengruppe der Menschen mit psychischer Erkrankung eine erhebliche Überschneidung mit Personen mit Suchterkrankungen als Ausdrucksform psychischer Erkrankung.
Klassische Pflegeheimsettings sind für diese Personen nicht vorstellbar.
Ein Modellversuch im Bereich der Pflege ergibt aus Sicht der Liga daher keinen Sinn. Vielmehr sollte die im SGB IX und im Landesrahmenvertag SGB IX angelegten leistungsrechtlichen Lösungen im Rahmen der Eingliederungshilfe gezielt gefördert werden. der geordnete Übergang in Inklusive Modelle angebahnt und umgesetzt werden. Durch die vermutet große Anzahl betroffener Personen muss dieser Prozess gut vorbereitet und die Überleitung strukturiert werden.