
Die Liga der freien Wohlfahrtspflege bedankt sich für die Möglichkeit, zur Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Landesentwicklung und Wohnen zu den Änderungen der Verwaltungsvorschrift der Verwaltungsvorschrift Wohnungsbau Stellung zu nehmen.
Die Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg (Liga-BW) unterstützt die Bemühungen der Landesregierung zur Schaffung von preiswertem Wohnraum. Dieses Bemühen kommt in den „Änderungen der VwV Wohnungsbau BW 2022“, die seitens des Ministeriums für Landesentwicklung und Wohnen für einen fachlichen Austausch am 26./27.10.2021 vorgelegt wurden, zum Ausdruck. Mit unserer Stellungnahme weisen wir auf zwei Sachverhalte hin, die aus Sicht der Liga-BW für Haushalte mit besonderen Schwierigkeiten bei der Wohnraumbeschaffung besonders bedeutsam sind.
Eigenleistung und Nachrangdarlehen Punkt 15 der Vorlage zum Abschnitt II A Nr. 3 Soziale Mietwohnraumförderung Eigenleistung „Die Eigenleistung beträgt bei den baulich förderfähigen Maßnahmen der Abschnitte B bis E vorbehaltlich einer abweichenden Entscheidung der L-Bank mindestens 20 Prozent der Gesamtkosten des förderfähigen Vorhabens. Die erforderliche Eigenleistung ist vollständig in Form von Eigenkapital zu erbringen. Als Eigenkapital gelten …“
nimmt die seit langem von der Liga-BW genannte Forderung auf, die Möglichkeit eines Nachrangdarlehens zur Darstellung der erforderlichen Eigenleistung zu eröffnen. Zwar kommt in der Vorlage zum Ausdruck, dass dieser Schritt aktuell noch in Prüfung mit der L-Bank ist, doch für die Liga steht ohne Zweifel fest, dass für Haushalte mit besonderen Schwierigkeiten bei der Wohnraumversorgung, wie beispielsweise wohnungslosen und von Wohnungsnot bedrohte Menschen, nur über eine solche Fördermöglichkeit Wohnraum geschaffen werden kann. Aktuell tätige und bewährte Wohnungsunternehmen (einschließlich kommunaler und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen) haben diese Zielgruppen nicht im Blick.
In Frage kommen demnach vor allem kleine Investoren wie freigemeinnützige Vereine, die gebundenen Wohnraum für Haushalte mit besonderen Schwierigkeiten bei der Wohnraumversorgung schaffen. Sie sind mit der Voraussetzung, 20 Prozent der Gesamtkosten des förderfähigen Vorhabens als Gesamtkosten darzustellen, überfordert. Sie sind mit ihren Angeboten beispielsweise der Wohnungsnotfallhilfen oftmals schon seit vielen Jahrzehnten anerkannte und geschätzte Partner in der Region und den Kommunen vor Ort und zeichnen sich durch solides wirtschaftliches Handeln aus. Ihre wirtschaftliche Größe ermöglicht jedoch keine entsprechende Eigenleistung. Dadurch wird ein Engagement gerade für die am stärksten vom Wohnungsmarkt benachteiligten Personengruppen verhindert.
Insofern unterstützt die Liga-BW mit Nachdruck eine Änderung in der VwV Wohnungsbau, die Nachrangdarlehen für bestimmte Investoren im sozialen Mietwohnungsbau ermöglicht.
Housing-First-Modellprojekte
Der Koalitionsvertrag der Landesregierung spricht unmissverständlich davon, dass „in enger Zusammenarbeit mit den Kommunen und freien Trägern der Wohlfahrtspflege Housing-First-Modellprojekte aufgelegt werden“ (S. 136). Einfach ausgedrückt bedeutet dies: „Die Menschen bekommen erst eine Wohnung, und dann kommt der Rest“.
Dieser in den USA entwickelte Ansatz wird in Europa sehr erfolgreich in Finnland und Österreich praktiziert. Bisher ist dieses Unterstützungsprinzip in Deutschland so gut wie nicht verbreitet. Auch in Finnland kam dieser Ansatz einem radikalen Kurswechsel gleich. Denn bis dahin mussten die Menschen von der Straße eine Art Treppenmodell mit vielen Stufen der „Resozialisierung“ durchlaufen (wie auch in Deutschland lange Zeit gelebte Praxis), um am Ende zu einer eigenen Wohnung zu kommen. Dies schaffen viele hilfebedürftige Menschen nicht.
„Housing First“ funktioniert mit einer anderen Haltung und einem anderen Ansatz: Es beginnt mit selbstbestimmtem Leben in den eigenen vier Wänden, einem eigenen Wohnungsschlüssel und einem unbefristeten Mietvertrag. Die soziale Beratung und Begleitung wird den Betroffenen angeboten, ist jedoch nicht an das Wohnangebot gebunden. Die seitherigen Erfahrungen zeigen, dass die Menschen Unterstützungsangebote sehr gerne in Anspruch nehmen. Um ein solches Prinzip auch in Modellprojekten umzusetzen, ist zwingend Wohnraum erforderlich, den der Wohnungsmarkt mit kleinen, auf eine Person zugeschnittenen Wohneinheiten für die beschriebene Personengruppe, nicht hergibt.
Insofern ist es aus Sicht der Liga-BW unabdingbar, dass es in der VwV Wohnungsbau einen eigenen Förderansatz für Housing-First-Modelle im sozialen Mietwohnungsbau gibt, zumal es sich, wie be-schrieben, um individuelle und unbefristete Mietverhältnisse handelt.