
Die Liga der freien Wohlfahrtspflege Baden-Württemberg e.V. (Liga) gibt folgende Stellungnahme zu Bericht und Leitlinien zur Wohnraumförderung des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg (Blaue Broschüre):
Die Gelegenheit zum vorliegenden Bericht und den daraus abgeleiteten Handlungsanforderungen für das Programm „Wohnungsbau BW 2020/21“ eine Stellungnahme aus unserer Sicht abzugeben, zeigt erneut, wie breit, aber auch wohlüberlegt, das Wirtschaftsministerium die Fragen zur Schaffung und dem Erhalt von bezahlbarem Wohnraum bearbeitet. Daher begrüßt die Liga der freien Wohlfahrtspflege Baden-Württemberg e.V. die durch die Wirtschaftsministerin, Frau Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, ins Leben gerufene Wohnraum-Allianz ausdrücklich, bringt sich in diese Zusammenarbeit aktiv ein und nimmt die Gelegenheit zur Stellungnahme gerne wahr.
Die Zielsetzung der Wohnraum-Allianz generell und der weiter wachsende Bedarf an bezahlbarem und sozialen Wohnraum speziell machen deutlich, dass die Gestaltung der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen von Stadtentwicklung und (kommunaler) Wohnungswirtschaft immer auch die sozialen Belange und Fragestellungen des gesellschaftlichen Miteinanders berühren. Wenn mittlere Einkommen mit Menschen in sozialen Notlagen um den bestehenden Rest von bezahlbarem Wohnraum konkurrieren, hat erstens der Markt versagt und ist zweitens der gesellschaftliche Zusammenhalt gefährdet.
Die Handlungsansätze des Programms „Wohnungsbau BW 2020/21“ setzen auf die Diskussionen der Wohnraum-Allianz BW auf und berücksichtigen deren Beschlüsse. Diesen Ausdruck der partnerschaftlichen und verbindlichen Zusammenarbeit begrüßt die Liga ausdrücklich.
Wir sehen aber auch, dass diese gemeinsamen Anstrengungen gegenwärtig nicht ausreichen, um die Wohnungsnot in Baden-Württemberg wirksam zu bekämpfen. Dabei erkennen wir an, dass die Einflussmöglichkeiten des Landes auf wesentliche Facetten der aktuellen wohnungspolitischen Engpässe, wie beispielsweise Grundstückspreise und –vergabe, begrenzt sind. Daher appellieren wir an alle Partnerinnen und Partner der Wohnraum-Allianz, die gemeinsame Suche nach pragmatischen und wirksamen Lösungsansätzen zur Schaffung und dem Erhalt von bezahlbarem Wohnraum zu verstärken. Die Liga der freien Wohlfahrtspflege Baden-Württemberg ist dazu bereit.
Nachfolgend wird die Liga auf einzelne Punkte eingehen:
- Fehlender Wohnraum erhöht den Druck auf die Wohnungsmärkte weiter
Die durch die Landeskreditbank Baden-Württemberg in Auftrag gegebene Studie der Prognos AG zum Wohnraumbedarf weist aktuell einen bestehenden Mangel an landesweit 88.000 Wohneinheiten aus und beziffert den Neubaubedarf von 2021-25 auf jährlich 43.000 Wohneinheiten. Darin enthalten ist der Bau von jährlich 6.000 gebundenen Mietwohnungen, um nicht nur den aus der Bindung fallenden Wohnraum zu kompensieren, sondern eine bedarfsgerechte Zahl von Sozialwohnungen zu gewährleisten. Dem gegenüber steht zwar eine erfreulich erhöhte Inanspruchnahme des Wohnraumförderprogramms in 2018 von rund 1.900 und 2019 von rund 2.600 eingegangenen Förderanträgen. Es wird jedoch deutlich, wie weit die politische Zielsetzung und die reale Wohnungsmarktentwicklung immer noch auseinander liegen. Dass wir landesweit hinter dem aktuellen Bedarf zurückbleiben, bildet sich auch in der Fertigstellung von 34. 833 Neubauwohnungen in 2018 (1 Vgl. Stala BW: Pressemitteilung 114/2019. Verfügbar unter: https://www.statistik-bw.de/Presse/Pressemitteilungen/2019114.) ab, wie es das Statistische Landesamt ausweist. Dies erhöht den Druck auf die Wohnungsmärkte und trifft besonders Haushalte mit niedrigen Einkommen hart. - Ausgestaltung der sozialen Mietwohnraumförderung für Haushalt mit besonderen Schwierigkeiten bei der Wohnrumversorgung
Die Liga begrüßt es sehr, dass diese Zielgruppe weiterhin im Wohnraumförderprogramm Berücksichtigung findet. Das Land anerkennt damit, dass beispielsweise wohnungslose oder ordnungsrechtlich untergebrachte Menschen, psychisch kranke oder beeinträchtigte Betroffene oder junge wohnungslose Erwachsene bzw. Care Leaver so gut wie keinen Wohnraum mehr finden. Haben Haushalte mit niedrigem Einkommen bereits Probleme, an günstigen Wohnraum zu gelangen, ist das Problem bei Haushalten mit besonderen Schwierigkeiten bei der Wohnraumversorgung ungleich größer. Deshalb braucht es diesen besonderen Fördertatbestand, um Investoren zu gewinnen, sich dieser Zielgruppe anzunehmen.
Die Beibehaltung der Fördertatbestände in diesem Teil des Förderprogramms 2020/21 wird daher nachdrücklich begrüßt. In der weiteren Ausgestaltung sind aus Sicht der Liga der freien Wohlfahrtspflege jedoch einige Aspekte zu präzisieren.
a) Der „Ergänzende Zuschuss“ bei ausschließlicher Belegung durch Haushalte mit besonderen Schwierigkeiten bei der Wohnraumversorgung ist in der vorgelegten Mitteilung „Wohnraumförderung 2020/2021 nicht näher beschrieben. Die Liga geht davon aus, dass die bisherige Förderung beibehalten wird. Diese kann dann an die Vorlage eines Betreuungskonzepts oder die Kooperation mit einem Leistungserbringer der Sozialen Hilfen gebunden sein, um neben der Unterbringung auch die Unterstützung und Beratung dieser Haushalte zu gewährleisten.
b) Verzahnung mit dem „Kommunalfonds Wohnraumoffensive Baden-Württemberg“, indem Investoren, die ausschließlich gebundenen Wohnraum für Haushalte mit besonderen Schwierigkeiten bei der Wohnraumversorgung schaffen, bei der Vergabe von Flächen entsprechend berücksichtigt werden. Dies betrifft sowohl die Bereitstellung von Flächen auf Erbpacht, als auch damit verbunden ein vergünstigter Erbpachtzins.
Das neu geschaffene Prämienmodell des Wirtschaftsministeriums zur Akquisition von Wohnraum wird verschränkt zu den Fachstellen zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit, die in Kooperation zwischen kommunaler und freigemeinnützigen Trägern organisiert sind bzw. werden.
c) Das Ermöglichen einer Bürgschaft des Landes zur Erlangung von Eigenersatzmitteln für kleine Investoren, die ausschließlich gebundenen Wohnraum für Haushalte mit besonderen Schwierigkeiten bei der Wohnraumversorgung schaffen. Da davon auszugehen ist, dass die bewährten kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen diese Zielgruppe nicht im Fokus haben werden, gilt es, alternative Investoren zu gewinnen, um dieser Zielgruppe besonders benachteiligter Wohnungssuchender gerecht zu werden. Dabei werden insbesondere kleine gemeinnützige Träger gefragt sein, sich für diese Zielgruppe zu engagieren. Sie sind jedoch trotz geordneter wirtschaftlicher Unternehmensführung oftmals mit der Bereitstellung der verlangten Eigenmittel überfordert. - Förderrichtlinie Mitarbeiterwohnen
Wir begrüßen diese Planung des Landes ausdrücklich und sprechen uns nachdrücklich für die notwendige Novellierung des Landeswohnraumförderungsgesetzes (LWoFG) aus. Als Träger verschiedenster Einrichtungen der sozialen Daseinsfürsorge sehen wir in der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, beispielsweise in der Altenhilfe und Pflege, als auch der Frühen Bildung und Kinderbetreuung einen entscheidenden Beitrag zur Versorgungssicherheit in den urbanen Ballungsräumen und den besonders angespannten Wohnungsmärkten.