14 Feb

Die Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg hat heute im Rahmen einer Pressekonferenz ihre neue Stichtagserhebung über Menschen in Wohnungsnot veröffentlicht, mit besorgniserregendem Ergebnis: Insgesamt 12.413 Menschen wurden am 30. September 2022 in Einrichtungen der Wohnungslosen- und Straffälligenhilfe in Baden-Württemberg beraten und unterstützt. Seit Beginn dieser Statistik ist damit ein neuer Höchststand erreicht. Die Liga-BW fordert das Land und die Kommunen dazu auf, ihrer Verantwortung für die Situation von wohnungslosen Menschen nachzukommen und adäquate Hilfsangebote auszubauen.

 „Wir sehen bei den Zahlen der Hilfesuchenden in den Diensten und Einrichtungen der Wohnungslosen- und Straffälligenhilfe im 10-Jahres-Vergleich einen deutlichen Anstieg von über 10 %. Die Zahl von 12.413 betreuten Personen ist ein trauriger Höchststand“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Liga-BW, Marc Groß. Mit 3.655 Personen leben laut Stichtagserhebung 2022 zudem deutlich mehr Personen in einer prekären Notunterkunft als in den Vorjahren, mitunter auch ohne Obdach auf der Straße.

Die Auswirkungen von Pandemie und Krieg auf die Armutsgefährdung im Land sowie die zugespitzte Lage am Wohnungsmarkt spiegeln sich 2022 deutlich im Hilfesystem wider. „Die Lage am Wohnungsmarkt ist für wohnungslose Menschen zunehmend dramatisch. Der Zugang in Wohnraum bleibt ihnen in den meisten Fällen verwehrt. Eine für die Betroffenen sehr belastende Situation. Sie fühlen sich häufig ohnmächtig und resignieren. Die Auswirkungen der aktuellen Krisen verschärfen die Situation weiter, auch in den Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe“, erläutert Marc Groß. Die Politik müsse dringend handeln und gezielt Wohnraum für diese Zielgruppe schaffen und zugänglich machen. Auch die Sicherung von Wohnraum muss oberste Priorität sein.

Für den Notfall jedoch brauche es ein flächendeckend gut ausgebautes Hilfsangebot, in allen Kommunen und Landkreisen, etwa über Fachstellen zur Verhinderung von Wohnungsverlust. „In Baden-Württemberg gibt es noch zu viele weiße Flecken auf der Landkarte! Wir benötigen ein niedrigschwelliges Basisangebot im ganzen Land, um Menschen in Wohnungsnot schnell und unbürokratisch zu helfen.“, fordert Simon Näckel, Sprecher des Liga-Unterausschuss Wohnungslosen- und Straffälligenhilfe. Zudem müssen die Hilfeangebote bedarfsgerecht ausgebaut und weiterentwickelt werden. „Der Anteil von wohnungslosen Frauen im Land steigt seit Jahren und liegt jetzt bei fast 30 Prozent. Wir brauchen dringend einen Ausbau frauenspezifischer Angebote.“ erklärt Näckel. Auch der demografische Wandel mache sich bemerkbar. Das Hilfesystem müsse sich zunehmend auch auf ältere und pflegebedürftige wohnungslose Menschen einstellen.

Um Prävention und Bekämpfung von Wohnungslosigkeit in Baden-Württemberg gezielt voranzutreiben, sei eine integrierte Landesstatistik von Nöten: „Wir begrüßen sehr, dass es seit letztem Jahr eine amtliche Bundestatistik gibt. Diese hat das besondere Ausmaß der Wohnungslosigkeit in Baden-Württemberg unterstrichen. Allerdings bleibt die Erhebung klar hinter unseren Erwartungen zurück und lässt viele Fragen unbeantwortet. Wir fordern das Land daher auf, sich für eine geeinte Statistik einzusetzen, die uns fortan auch zuverlässig realistische und belastbare Zahlen zum gesamten Ausmaß und den Ursachen von Wohnungslosigkeit in Baden-Württemberg liefert“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Liga-BW abschließend.

Die Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg hat zum 31. Mal in den Diensten und Einrichtungen der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege die Anzahl der Bürger:innen in den Hilfen nach §§ 67 ff. SGB XII in Baden-Württemberg erhoben. Beteiligt waren insgesamt 350 kommunale und freie Träger der Wohnungslosen- und Straffälligenhilfe. Die meisten der erfassten Personen nutzen die ambulanten Angebote wie Fachberatungsstellen oder Tagesstätten.

Der vollständiger Bericht mit den Ergebnissen zur Liga Stichtagserhbung 2022 steht Ihnen unten oder unter PUBLIKATIONEN zum kostenlosen Download bereit.

Die elf Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege sind die größten Anbieter von Diensten und Leistungen der Sozialen Arbeit in Baden-Württemberg. In enger Kooperation treten sie als Liga-BW für die Interessen hilfsbedürftiger und sozial benachteiligter Menschen auf allen Ebenen ein. Gegründet am 22. September 1952 ist die Liga-BW 2022 bereits seit über 70 Jahren politisch aktiv. In Vertretung von über 290.000 Beschäftigten in rund 6.000 Einrichtungen und Diensten in Baden-Württemberg sowie ihrer Klient:innen wird die Liga auch in Zukunft, stets aktuell und zielgerichtet, wichtiges Sprachrohr in allen Feldern der Sozialen Arbeit sein.

Kontakt:
Dr. Mareike Bröcheler, Referentin für Grundsatzfragen, Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg e.V., Stauffenbergstraße 3, 70173 Stuttgart, Tel.: 0711/61967-12, Mobil: 0170/7023730, Mail: broecheler@liga-bw.de

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