17 Okt

Den Klimawandel schaffen und diesen Transformationsprozess sozial verträglich gestalten – wie kann das gehen? Unter dem Motto „Armut im Klimawandel – ökologisch – gesellschaftlich – sozial“ beschäftigt sich die Aktionswoche Armut bedroht alle sich in diesem Jahr mit genau dieser Frage. Vom 17. bis zum 21. Oktober 2022 finden im ganzen Land Aktionen statt, um auf die Herausforderungen aufmerksam zu machen, die sich Menschen in Armutslagen tagtäglich stellen und damit für die Gesellschaft insgesamt zu beantworten sind.

Auftakt mit Pressekonferenz: Wir brauchen schnelle Hilfen!

Den Start in die Aktionswoche stellt die Pressekonferenz am 17.10.22 im Bürger- und Medienzentrum des Landtags Baden-Württemberg dar.

Roland Saurer und Harry Widmann aus dem Netzwerk 1 der Landesarmutskonferenz Baden-Württemberg (LAK-BW) sprachen zu Beginn aus Sicht der Betroffenen darüber, welche Bedeutung aktuelle Entwicklungen von Energie- und Klimakrise tagtäglich in ihrem Alltag haben. Die Herausforderungen, den Alltag mit geringsten finanziellen Mitteln zu bewältigen, sich Kleidung, Lebensmittel und eine Wohnung leisten zu können, seien trotz sozialer Unterstützungsleistungen schwieriger denn je. „Das von der Bundesregierung jetzt verabschiedete 49 Euro-Ticket kann ich mir als Arbeitsloser nicht leisten“, schildert Harry Widmann beispielhaft. Für Leistungsbezieher*innen müsse ein Verkehrsticket kostenlos sein, damit es auch von diesen genutzt werden kann.

Die Aktionswoche Armut steht auch mit Fokus auf den Klimawandel aktuell im Zeichen der Bewältigung von Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und die damit einhergehenden Kostensteigerungen in der Bewältigung der Daseinsvorsorge.

Michael Karmann, Vertreter der Liga-BW im Netzwerk 2 der Landesarmutskonferenz Baden-Württemberg betont, dass nicht nur Empfänger*innen von Sozialleistungen, sondern eine weitaus größere Gruppe von Menschen in Baden-Württemberg zu den von Armut bedrohten Menschen gezählt werden müssen. Nach Berechnungen des Statistischen Landesamtes gelten 23,8 % als armutsgefährdet, das entspricht über 2,6 Millionen Menschen im Land. „Wir fordern deshalb einen Sozialgipfel im Land Baden-Württemberg, mit allen betroffenen Ministerien, mit anderen Verbänden, mit den Kommunen sowie mit den Energieerzeugern und natürlich den Betroffenen. Auch wenn Hilfen aus Berlin angekündigt sind: Wir benötigen zusätzlich einen Notfonds, um den vielen Menschen zu helfen, die die kommenden steigenden Abschlagszahlungen und Nachzahlungen für Energie schlichtweg selbst nicht zahlen können. Für sie alle braucht es schnelle und unbürokratische Hilfen!“, so Karmann.

Das Bündnis gegen Altersarmut in Baden-Württemberg konnte als Partner der Aktionswoche die Forderungen nach einem Sozialgipfel und zusätzlichen Hilfen auf Landesebene ebenfalls unterstreichen: „Die Energiepreisbremse kommt – aber sie kommt zu spät und sie reicht nicht aus“ so Martin Gross, Landesbezirksleiter von Ver.di. Schließlich forderte Barbara Baur, Vorsitzende des Landesverbands alleinerziehender Mütter und Väter e. V. (VAMV) ein stärkeres Bewusstsein von politischen Entscheidungsträger*innen dafür ein, dass die Folgen ihrer Entscheidungen für ganz unterschiedliche Zielgruppen von Beginn an mitzudenken sind – eben auch für Alleinerziehende, die häufig in Armut leben. „Wir sind hier, und wir werden laut“, so Baur, angesichts der zahlreichen Hürden, die den Betroffenen im Alltag begegnen und nicht mehr tragbar seien. So kämen etwa zahlreiche, als Entlastung konzipierte familienpolitische Maßnahmen de facto bei Alleinerziehenden nicht an, weil sie bspw. von anderen Mechanismen im Sozialleistungssystem konterkariert werden. Schließlich beeinflusse das auch die Möglichkeiten von Alleinerziehenden, in der Gestaltung und Teilhabe an der sozialökologischen Transformation mitzuwirken, ganz wesentlich.

Anschließend haben die Aktiven der Landesarmutskonferenz und des Bündnisses gegen Altersarmut noch eine Aktion im Stuttgarter Schlossgarten auf Armutslagen aufmerksam: mit einer symbolischen, aus Menschen geformten Schere, die Arm und Reich immer weiter voneinander trennt.

Eine Aktion der LAK-BW und der Liga-BW

2012 haben sich Basisinitiativen, DGB-Gewerkschaft und Sozialverbände in Baden-Württemberg zur Landesarmutskonferenz Baden-Württemberg (LAK-BW) zusammengeschlossen, um gemeinsam die landesweiten Armutsthemen in die Landespolitik einzubringen. Das Besondere an der Landesarmutskonferenz Baden-Württemberg ist, dass hier von Armut und Ausgrenzung betroffene Menschen mit den Verbänden partizipativ an einem Tisch sitzen. Zu den Projekten der LAK-BW gehört die im Jahr 2003 gestartete, jährlich stattfindende landesweite Aktionswoche: Armut bedroht Alle!

Neben zentralen, von den Initiatoren der Aktionswoche organisierten Veranstaltungen finden in unterschiedlichen Städten und Regionen ebenfalls Aktionen statt, haben teilweise bereits in der letzten Woche begonnen. Termine finden Sie im Überblick auf der Homepage zur Aktionswoche unter www.armut-bedroht-alle.de

Auswahl der Berichterstattung zur Pressekonferenz (Stand: 20.10.22)

Landespolitisches Gespräch

Nach zahlreichen Veranstaltungen in ganz Baden-Württebmerg bildete das Lanespolitische Gespräch im Café Tempus in Stuttgart am Freitag, den 21. Oktober 2022 den Abschluss der Aktionswoche. Zentrales Element des Gespräches waren Berichte von unmittelbar von Armut betroffenen Menschen. Zum gespräch über Armut im klimawandel, 10 Jahre Landesarmutskonferenz und Fragen der politischen Teilhabe von Armut betroffener Menschen waren die Ageordneten von MdL Thomas Poreski (GRÜNE), MdL Florian Wahl (SPD) und MdL Nikolai Reith (FDP) gekommen und diskutierten intensiv mit Redner*innen und Gästen.

Die Landtagsabgeordneten MdL Florian Wahl, MdL Thomas Poreski und MdL Nikolai Reith (v.l.n.r.) stellten sich den Fragen von Moderator, Betroffene und Gästen