Stellungnahmen liga-bw
18 Mai

Über 60 Mitarbeitende der Migrationssozialarbeit aus ganz Baden-Württemberg setzten sich vom 9. bis 10. Mai 2022 unter dem Motto „Haltung zeigen! Migrationsarbeit als Beitrag zur Demokratiegestaltung“ mit ihrer politischen Rolle und Handlungsmöglichkeiten in diesem Feld der sozialen Arbeit auseinander.

Die Fachausschüsse Migration der Liga der freien Wohlfahrtspflege Baden-Württemberg und der Liga der freien Wohlfahrtspflege Stuttgart hatten gemeinsam mit der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart zu der zweitätigen Fachveranstaltung eingeladen.

Gesellschaftliche und politische Entwicklungen haben direkte Auswirkungen auf die soziale Arbeit, ihre Rahmenbedingungen und Handlungsspielräume. Gerade in der Migrationssozialarbeit bewegen wir uns dabei in einem besonders sensiblen Arbeitsfeld, das geprägt ist von sich ständig wandelnden rechtlichen Rahmenbedingungen, sich immer wieder neu ausrichtenden Migrationsbewegungen und den Auswirkungen gesellschaftlicher und politischer Strömungen.

Professorin Dr. Nivedita Prasad von der Alice-Solomon Hochschule in Berlin bot zum Start einen vielseitig und anregenden Blick nach Innen: es gelte eine Sensibilität zu entwickeln für die verschiedenen Formen von Rassismus, die auch in der sozialen Arbeit in Erscheinung treten. Sonst stehe die  Soziale Arbeit in Gefahr, durch ihre Routinen Rassismus zu reproduzieren. Gerade in der Öffentlichkeitsarbeit sei es wichtig, sensibel mit Kategorisierungen und Terminologien umzugehen. Entwicklung von rassismuskritischen Ansätzen sei aktuell insgesamt eine Herausforderung an die soziale Arbeit. Dem Vortrag von Dr. Prasad folgte eine angeregte Podiumsdiskussion mit Dr. Dorothea Kliche-Behnke (SPD), Daniel Lede Abal (Bündnis 90/DIE GRÜNEN), Ansgar Mayr (CDU) und Nikolai Reith (FDP) als Vertreter:innen der Landespolitik. Durch die Diskussion über die Rolle, die Migrationssozialarbeit für die Politik spielt, wurde angeregt, die Wohlfahrtspflege stärker in politische Entscheidungen zu involvieren. Auch der aktuelle Stand der diverstitätsorientierten Öffnung der öffentlichen Verwaltung erörtert. Das Gesetzgebungsverfahren zum Landesantidiskriminierungsgesetz kam ebenfalls zur Sprache und deckte Uneinigkeit zwischen den Parteien auf.

Am Nachmittag hatten die Teilnehmenden dann die Gelegenheit, die Wechselwirkung zwischen Politik und (Migrations-)Sozialarbeit in Workshops näher zu beleuchten. Sie erhielten Hinweise und Ideen zur Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit vor Ort, zu Möglichkeiten und Ideen der Einbeziehung der Politik für die Anliegen der sozialen Arbeit und dazu, wie die soziale Arbeit ihre Expertise in politische Entscheidungsfindungen aktiv einbringen und sich öffentlichkeitswirksam positionieren kann.   

Den zweiten Tag leitete Prof. Dr. Jens Ostwald ein. Er präsentierte Studienerkenntnisse, die die Möglichkeiten der Migrationssozialarbeit als Beitrag zur Demokratieförderung aufzeigten. Er zog dabei das vorläufige Fazit, dass Präventionsarbeit wie bspw. die Radikalisierungsprävention heute stärker in den politischen Fokus gerückt und vermehrt als Aufgabe der Sozialen Arbeit verstanden wird. Anschließend konnten sich die Teilnehmenden mit den Referent:innen Martin Ziegenhagen sowie Derya Sahan und Mathieu Coquelin in zwei Workshops mit ihrem eigenen, professionellen Umgang mit Rassismuserfahrungen auseinandersetzen, Kommunikationsstrategien im Umgang mit Diskriminierung veranschaulichen und die eigene Handlungsfähigkeit stärken.

Der Fachtag wurde von seinen Teilnehmenden durchweg positiv bewertet und als Bereicherung für den Arbeitsalltag beschrieben. Viele meldeten zurück, sich durch den Input und den Austausch nochmal vor Augen geführt zu haben, wie wichtig Lobbyarbeit und die Auseinandersetzung mit politischen Entscheidungswegen für die Migrationssozialarbeit ist und welche Stellenwert die Reflexion des eigenen Denken und Handelns tagtäglich im Umgang mit den Klient:innen hat.